Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Jonas Rädel, M.A.

Arbeitstitel: Bürgermeister:innen in der Corona-Pandemie

Ziel meines Promotionsprojektes ist es, die Perspektive von Bürgermeister:innen auf das politische System abzubilden. Die Sichtweise der Bürgermeister:innen ist interessant, da diese an der Basis des politischen Systems und damit an der Schnittstelle zwischen Bürger:innen und der Landes- bzw. Bundespolitik agieren. Besonders relevant sind dabei kleine Kommunen in ländlichen strukturschwachen Regionen.

Das Projekt ist von zwei Forschungsfragen geleitet: Erstens, wie wird die Corona-Pandemie – verstanden als „Stresstest für die Demokratie“ (Florack et al. (2021): 12) – von Bürgermeister:innen erlebt, wahrgenommen und eingeordnet? Zweitens, welche Sichtweisen auf die Demokratie und das politische System lassen sich aus den geschilderten Perspektiven der Bürgermeister:innen rekonstruieren?

Das Promotionsprojekt ist grundsätzlich ergebnisoffen und prozessual angelegt. Um die Perspektiven der Bürgermeister:innen rekonstruieren zu können, wird qualitativ im Sinne der Grounded Theory Methodologie vorgegangen. In zwei Erhebungsschritten wurden im Dezember 2020 und im Zeitraum Mai bis Juli 2021 gesamt 19 offene Interviews geführt. Ausgewählt wurden Bürgermeister:innen in Kommunen mit bis zu 5000 Einwohner:innen im sächsischen Bundestags-Wahlkreis Vogtlandkreis (Nr. 166) und im bayerischen Bundestags-Wahlkreis Hof (Nr. 239). Die Interviews wurden transkribiert, die Transkripte offen codiert und die Codes durch Axiales Codieren in Beziehung gesetzt.

Im qualitativ gewonnenen Material ist besonders auffällig, dass sich alle Bürgermeister:innen mehr oder weniger deutlich von den übergeordneten Ebenen der Landes- und Bundespolitik abgrenzen, die als „große Politik“ (Int. 2, Pos. 2), „hohe Politik“ (Int. 7, Pos. 10) oder „Parteipolitik“ (Int. 18, Pos. 60) pejorativ besetzt werden.

Als vorläufiges Zwischenergebnis können fünf unterschiedliche Muster der Abgrenzung von Bürgermeister:innen gegenüber den höheren politischen Ebenen kontrastiv herausgearbeitet werden. Die Abgrenzung kann durch 1) erfolgreiche Konkurrenz, 2) nachvollziehende Empathie, 3) ohnmächtige Radikalisierung, 4) persönliche Erschöpfung und 5) neutrales Erklären gekennzeichnet sein. Das jeweils feststellbare Muster scheint dabei eng mit dem empfundenen Handlungsrahmen in der Kommune, den individuellen Rollenverständnissen und den eingesetzten Strategien der Bürgermeister:innen sowie den wahrgenommenen Konsequenzen verknüpft zu sein. In den nächsten Analyseschritten sollen diese Zusammenhänge präzise herausgearbeitet werden, um verschiedene Idealtypen widerspruchsfrei darstellen zu können.

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